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Knapp 24 Jahre ist es her als James Sunderland sich in Silent Hill 2 auf die Suche nach seiner Frau Mary machte. Das Spiel war damals ein Meilenstein im Horrorgenre und wird von vielen als das beste Silent Hill überhaupt gesehen - was meiner Meinung nach auch so ist. Nun ist die Frage - wird der neue Entwickler Bloober Team der ganzen Sache gerecht? Denn dieser ist ja eher für mittelmäßig-gute, kleinere Produktionen bekannt. War es richtig von Konami ihnen eine Chance zu geben?Es gibt ja die Reihe an Leuten, welche das Original nicht kennen, und auch solche, welche SH2 als den heiligen Gral sehen und jede Änderung argwöhnisch betrachten. Und dann natürlich auch die, welche den modernen Änderungen positiv gegenüberstehen. Ich wollte komplett offen an die Sache gehen, da man Dinge oftmals nur durch die Nostalgiebrille betrachtet, welche heute eigentlich gar nicht mehr so toll sind. Ich muss gestehen, dass ich das Original auch schon sehr lange nicht mehr gespielt habe und es vom Gameplay auch einfach nicht mehr zeitgemäß ist.Hinweis für Neueinsteiger und Leute, welche Silent Hill nicht kennen: Man muss Silent Hill 1 nicht gespielt haben um die Geschichte zu verstehen, da diese unabhängig voneinander sind. Nur Teil 1 und 3 haben eine recht große Verbindung zueinander.Die Trailer sahen für mich immer recht stimmig aus, das Kampf-Gameplay dort etwas gewöhnungsbedürftig. Aber wie sieht das Spiel nun in der Realität aus? Ich habe es durchgespielt und möchte hier erstmal nur die Technik und das Gameplay bewerten und mitteilen ob es dem neuen Studio gelungen ist SH2 gut in unsere heutige Zeit zu bringen. Die Story war damals schon klasse und nicht vorhersehbar und wird (mit ein paar Erweiterungen/Änderungen) auch so wiedergegeben.Das Spiel startet wie gewohnt. Ein angespannter James startet seine Reise in einem Toilettenhäuschen nahe der kleinen Stadt Silent Hill und liest den Brief seiner verstorbenen Frau, welche ihn an "ihrem speziellen Ort" treffen will. Nun ist es an James dieses Rätsel zu lüften. Viele Rätsel und groteske Monster werden ihn auf diesem Weg erwarten.Ich habe das Original damals zum Release gespielt und fand es ziemlich gruselig. Das Gameplay war etwas hölzern, was auch damit begründet wurde, dass James ja ein Normalo und kein ausgebildeter Kämpfer sei. Natürlich war das aber auch den technischen Limitierungen damals geschuldet. Die Grafik war für PS2-Verhältnisse aber sehr gut und vor allem der Nebel trug einen großen Teil zur Atmosphäre bei.Diesen Nebel gibt es auch in der modernen Version, die ganze Stadt liegt unter einem dicken, wabernden Schleier und sieht wirklich absolut stimmig aus. Man kann meist nur ein paar Meter sehen und erkennt Fragmente von Häusern und sieht gruselige Figuren auf den Straßen wandern. Auch die Innenräume wissen zu gefallen - in den langen Gängen kommt Anspannung auf, wenn sie nur mit der kleinen Lampe erhellt werden. Manchmal ist es aber wirklich sehr sehr dunkel. Man weiß nie wer da in ein paar Metern vor einem im Gang stehen wird.Zu PS2-Zeiten hatten die Charaktere einen etwas gruseligen Vibe an sich. Den gibt es meiner Meinung nach jetzt nicht mehr und man kann sich dadurch besser in James hineinversetzen. D.h. für mich wirkt er jetzt menschlicher (wer die Story kennt mag jetzt diskutieren ob das gut oder schlecht ist - ich finde es stimmig). Auch die anderen Charaktere wirken weniger surreal und realistischer. Die Emotionen kommen gut rüber und die Charaktere sind auch sehr gut animiert. Auch die Straßen Silent Hills und das gesamte Ambiente wissen zu gefallen. Überall fliegen Blätter umher, alte Zeitungen flattern an den Laternenmaster, die Fenster und Türen sind verrammelt und man spürt die Einsamkeit und Leere. Wenn ein Sturm auszieht fliegen Sachen durch die Straßen, viele Monster erscheinen und man denkt sich - schnell zum nächsten Schutzraum. Auch die "Anderswelt" weiß mit zu gefallen.Letzlich besteht das Gameplay darum sich einen Weg durch die Stadt zu bahnen. Das Ganze ist meist mit abstrakten Rätseln verbunden - es geht darum Gegenstände und Codes zu finden, ggf. zu kombinieren und richtig anzuwenden. Das Finden gestaltet sich manchmal gar nicht so leicht, zumal die Konfrontation mit den grotestken Gestalten meistens nicht vermeidbar ist. Das Kampfgameplay ist, wie damals, noch immer etwas "clunky" und hölzern - es macht aber trotzdem deutlich mehr Spaß - v.a. mit den Nahkampfwaffen. Das Schießgameplay ist semi-gut, das Trefferfeedback könnte etwas wuchtiger sein. Aber da James kein ausgebildeter Schütze ist und es ja auch nicht das Hauptaugenmerk ist, mag man das verzeihen. Man soll ja etwas angespannt sein, auch dank des chronischen Munitionsmangels (am Ende hatte ich aber trotzdem immer genug, wenn man genug sucht). Das Rauschen des Radios - wenn ein Monster in der Nähe ist - tut sein Übriges. Manchmal erschreckt man sich wenn ein Mannequin aus der Wand springt oder eine Lying Figure unter einem Auto heraus kriecht. Man muss beachten, dass man beim Original nicht mal wirklich selbst zielen konnte und Auto-Aim das Standardprozedere war - so musste man eigentlich nur zählen ob die Munition reicht und nicht die eigene Zielfähigkeit war entscheidend. Das sind also sehr gute Neuerungen.Der Nahkampf besteht aus Schlagen und Ausweichen, wenn mehrere Gegner auftauchen, kann es etwas unübersichtlich werden - v.a. da es oft stockfinster ist und nur die kleine Taschenlampe den Raum erhellt, aber irgendwie muss ich sagen, dass das die ganze Sache auch noch spannender macht.Auch sonst lässt die Gegend jetzt etwas mehr erkunden, Schubladen lassen sich öffnen und Autoscheiben einschlagen um die dringenst benötigte Munition und Medizin zu finden.Die Welt ist ansonsten recht wenig dynamisch, man hat recht schnell raus mit was man interagieren kann und mit was nicht. Das Interagieren mit z.B. Schubladen ist dabei manchmal etwas hakelig - man darf nicht zu dicht dran stehen und auch nicht zu weit weg, da es sonst nicht funktioniert. Hier gibt es kleinen Optimierungsbedarf.Insgesamt gibt es mehrere Schwierigkeitsstufen für die Rätsel und den Kampf. Ich spiele im ersten Durchgang alles auf Normal. Die Kämpfe fühlen sich leichter als damals an und man hat eigentlich immer genug Gesundheitstränke wenn man sich etwas vorsieht und die Gegend erkundet. Die Rätsel haben, je nach Schwierigkeitsgrad, auch andere Lösungen. Schön! Im Nachhinein hätte ich wohl eher auf Schwer gespielt.Mir persönlich hat es sogar etwas mehr Spaß gemacht durch die Stadt zu rennen als damals, muss ich gestehen - die Navigation gestaltet sich dank der Karte sehr gut. Alles wird markiert und offene und verschlossene Türen gut dargestellt. Man sieht auch immer wo James sich befindet - ich weiß gar nicht ob man das nicht sogar ausstellen kann - für richtige Puristen wäre das wohl sehr interessant. Ich habe z.B. ausgestellt, dass angezeigt wird wieviel Munition man noch hat - man muss also mitzählen.Technisch gesehen läuft das Spiel nicht ganz so rund wie ich mir das wünschen würde. Abstürze und Bugs gab es zwar bisher nicht und auch die Grafik sieht gut aus. Man merkt aber leichtere FPS-Einbrüche - gerade im Qualitätsmodus - den ich sonst bevorzuge. Hier ist er mir echt zu hakelig und stotternd, so dass ich den Leistungsmodus bevorzuge, welcher aber auch nicht einhundert Prozent geschmeidig läuft. Vielleicht kann Bloober Team hier zukünftig noch etwas optimieren, es ist aber natürlich trotzdem absolut spielbar. Zudem gibt es viele Einstellungen, so dass man seine persönliche Spielerfahrung anpassen kann, auch das hat mir gefallen.Die Sprachausgabe ist in Englisch, ggf. mit deutschen Untertiteln. Für mich ist das in Ordnung, da ich es - wie das Original damals - sowieso in Englisch gespielt hätte. Die neuen Synchronsprecher machen ihre Sache wirklich sehr gut und es stört mich absolut nicht in diesem Fall, dass es nicht mehr die alten sind. Es ist halt 25 Jahre her und in dem Fall ist es total in Ordnung (es gab die Diskussion ja mal bei der HD Remaster Collection und hier war es wirklich total sinnlos und eher schlecht neu zu synchronisieren, hing wohl aber auch mit irgendwelchen Verträgen zusammen). Im Nachhinein finde ich die neue Synchronisation einfach wirklich besser und zeitgemäßer. Die alte war zwar damals auch gut, hatte aber schon ihre komischen Momente (ich empfehle mal das erste Treffen zwischen James und Maria zu vergleichen).Ich finde jedenfalls SH2 wurde (fast) perfekt in unsere Zeit gebracht. Die Grafik ist stimmig, die Charaktere und Monster sind immernoch die alten und trotzdem gut neu interpretiert.Einzige kleine Mankos sind das manchmal etwas hölzerne Kampfgameplay und leichte Hakeligkeit der Steuerung, sowie die leichten FPS-Einbrüche. Ansonsten ist Silent Hill 2 und auch sein Remake eines der besten Horrorspiele der Geschichte, welches ich Neueinsteigern und auch Fans des Original vollstens empfehlen kann.PS: Kleiner Nachtrag nach dem Durchspielen und ab hier sollten auch nur Spieler lesen, welche das Original kennen und die kleine Abwandlungsspoiler auch nicht stören (storytechnisch werde ich aber ansonsten nichts verraten) - ich habe mich auf jeden Fall sehr gut unterhalten gefühlt und mich nachher auch an die kleinen Defizite gewöhnt. Das Spiel wurde verglichen zum Original stark im Umfang erweitert und die Gebiete vergrößert. Einige Sachen wurden dafür etwas umgewandelt. Es gibt sogar zwei neue Enden, welche ich aber auch noch nicht gesehen habe. Der Soundtrack ist auch hier sehr gut und wurde ja ebenso von Akira Yamaoka beigesteuert - viele Stücke wurden neu interpretiert. Allerdings muss ich sagen, dass ich das Original insgesamt etwas bevorzuge, wobei ich natürlich auch hier dem Nostalgiefaktor ein bisschen die Schuld gebe. Es ist nun halt etwas "hollywoodmäßiger" und hat nicht mehr ganz den düsteren, industriellen und rauen Anstrich teilweise.Gerade die Bosskämpfe sind wesentlich(!) verbessert im Gegensatz zum Original - richtig gut war der Kampf im Kühlhaus und auch die "Zwillinge" haben z.B. ein paar neue Attacken spendiert bekommen. Insgesamt wurden die Bosskämpfe richtig klasse inszeniert und haben jetzt teilweise mehrere Phasen. Im Original waren die diese ja rückwirkrend betrachtet doch eher mau und man rannte nur im Kreis und hatte mit der Kamera zu kämpfen.Auch die Synchronisation sagt mir wirklich mehr zu als das Original - klar, es ist ein Klassiker, aber manche Dialoge waren schon sehr cringe. Gerade der Synchronsprecher von James ist fantastisch. Auch der neue Eddie gibt richtig schöne Grusel-Vibes und es passt super.Rätseltechnisch war es schwierigkeitstechnisch in Ordnung, nichts Unlösbares dabei (auf Normal) - manche Sachen gingen leider viel zu leicht durch reines ausprobieren (Uhrenrätsel). Machte immer Spaß.Die Gegnerdichte ist im Gegensatz zum Original merklich erhöht - fast schon einen Ticken zu viel. Da das Kampfgameplay mit fortschreitendem Spielverlauf aber immer mehr flutschte passte das. Nachher hat man aber gefühlt in jedem Raum schon mal ein Mannequin erwartet, so dass teilweise kein Schockmoment einsetzte. Also insgesamt ist schon alles etwas actionreicher, war aber in Ordnung wenn das Gameplay passt. Abstürze und Bugs hatte ich während meines ca. Zwanzig-Stunden-Durchlaufs nur einen - James fiel durch den Boden. Das war aber kein Problem und hat mich nur eine Minute gekostet, da das Spiel nun auch automatisch speichert.Einige Sachen waren im Original besser wie z.B. überflutete Keller der Venus Bar im letzten Abschnitt - dieser war durch den megagruseligen Soundtrack und die im Wasser kriechenden Lying Figures wesentlich atmosphärischer im Original. Jetzt bewegt sich James in den letzten Metern zum Endziel einfach in gefühlter Stille durch einen normalen gefluteten Keller ohne Gegnerkontakt (es gibt jetzt aber einen neuen "Schleichabschnitt" im Keller des "LVH" und der Song (Scuttle in the Dark) wurde zumindest für einen neuen Zwischenboss eingesetzt.) Insgesamt hat es mir sehr gefallen diesen Klassiker im neuen Gewand zu sehen und Bloober Team hat wirklich gut Arbeit geleistet. Wie im Original gibt es so viele kleine Details, welche sicher noch lange Zeit die Easter-Egg-Sucher beschäftigen werden. Ich hoffe sie dürfen sich auch an einem Remake von 1, 3 und 4 oder an einem ganz neuen SH versuchen. Das Potential ist auf jeden Fall da. 5/5 Sternen und für jeden Horrorfan empfehlenswert.